Anonyme Konzentration

1. Oktober 2014
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Marcela Kozlik, Foto Michael W. Driesch

Die Galeristin in spe glaubt an die Kraft der Naivität. An die unvoreingenommene Herangehensweise an die Kunst. Erst nach einem Ausstellungsbesuch liest sie etwas über diejenigen Werke, die sie brennend oder auch überhaupt nicht interessiert haben. Immer verändern diese externen Informationen die Sichtweise auf die Kunst, manchmal im Positiven, manchmal auch im Negativen. Während unseres Gesprächs stellt die Galeristin mir die rhetorisch gemeinte Frage: Warum sollte man sich den ersten Eindruck, die erste intime Begegnung mit der Kunst, durch einen Text kaputtmachen?

Marcela Kozlik verfolgt mit ihrer MMK Gallery ein ebenso simples wie radikales Konzept und stellt sich damit diametral gegenüber der Konzeptkunst auf: Im zweimonatlichen Turnus will sie sogenannte Mixed Visual Art sowohl von renommierten als auch von unbekannten Künstlern in Gruppen- und Einzelausstellungen zeigen – und zwar ohne den Namen der Künstler, die Titel der Werke, die Künstlervitae, ohne also den Kontext zu offenbaren. Der Fokus liegt somit ausschließlich auf der Kunst, die „um ihrer selbst willen“ betrachtet werden soll. Enthüllt wird auf der Finissage oder aber beim Kauf. Das Einzige, was die Arbeiten als Kunst definieren soll, sind die circa 300 Quadratmeter Ausstellungsfläche der Galerieräume in der Hüttenstraße 41. Am 4. Oktober um 19 Uhr wird eröffnet.

Wie aber schreibe ich über Kunst, über die ich nichts schreiben soll, ja, noch nicht einmal beschreiben kann, weil es die Galerie noch nicht gibt? Und sollte ich die Galeristin hinter dem Konzept nicht genauso anonymisieren wie die Kunst, die sie zeigen wird? Während ich diesen Text schreibe, gelange ich zu dem Schluss: Eine kurze Skizzierung sollte reichen – damit, analog zum Konzept, die Idee in den Vordergrund treten kann.

Wenn Marcela Kozlik über ihre Philosophie spricht, lässt sie immer wieder die Begriffe „konzentrisch“ und „exzentrisch“ fallen, die sie jedoch anders verwendet als man es üblicherweise tut – was wiederum recht, nun ja, exzentrisch klingt. Sie führt aus, dass ein Kunststudium konzentrisch sei, weil man in die Tiefe gehe, sich nur mit einem Gegenstand beschäftige und sich häufig um die eigene Achse drehe. Ihre eigene Herangehensweise an die Kunst sei im Gegensatz dazu exzentrisch. Sie studiere um die Kunst herum, trenne visuelles Arbeiten wie Grafikdesign, Webdesign, Computeranimation, Fotografie, Malerei oder Videokunst nicht. Letztendlich, sagt sie, hänge alles zusammen. Sie beschreibt einen Bogen von der bildenden zur Kampfkunst und erläutert anschließend, wie sich ein Pianist sein Können aneignet: zunächst Note für Note, dann in Sequenzen, bis er schließlich ein komplettes Stück beherrsche und sich die Musik verselbstständigt habe. Die Verselbstständigung der Kunst, so erklärt Kozlik, führe über die Ratio hinaus zur Virtuosität, zu einem Kern, den alle Künste, die Natur, Religionen und auch die Wissenschaften, Liebe und Freundschaften gemein hätten. Kunst als Investition zu nutzen bezeichnet sie als „gewissenlos“.

Als Kunstliebhaberin beglückt mich die Idee, dass eine Galeristin, die über die Ratio hinaus empfindet und davon überzeugt ist, dass „man findet, wenn man aufhört zu suchen“, ausschließlich die Kunst in den Mittelpunkt stellen will. Als Kunstkritikerin erscheint mir das Konzept ein wenig mager, da es nur darin besteht, die Rahmenbedingungen der Kunst auszublenden und somit wenig (an-)greifbar ist. Denn inhaltlich beziehungsweise über die Auswahl der Künstler erfahre ich natürlich wenig: Kozlik wählt Künstler aus, die sie sympathisch findet und deren Werk sie empfinden, spüren, lieben kann.

Neugierig macht mich die neue Galerie jedoch in jedem Fall, denn sie verhandelt grundlegende Aspekte neu: Werden die Menschen wieder lernen, die Kunst zu lieben, wie es sich Marcela Kozlik wünscht? Wird man den Qualitätsunterschied zwischen renommierten und weniger renommierten Künstlern bemerken? Kann dieser ein Weg für die Kunst sein, um sich vom Markt zu befreien und dennoch den Künstlern zu erlauben, ihre Rechnungen zu begleichen?

Kozliks Konzept schützt den Betrachter vor den eigenen positiven wie negativen Vorurteilen. Es zwingt die Menschen dazu, auch wirklich die Kunst anschauen zu gehen, weil sie sich nicht auf Namen, Ausbildungsstationen und glamourträchtige Fakten verlassen können. Wenn man über Ausstellungen in der MMK Gallery sprechen will, wird man nicht darum herumkommen, die Werke zu beschreiben – was automatisch zu einer intensiveren Beschäftigung mit ihnen führt. Dieses könnte eine Chance für die Kunst sein, zu ihrer Bestimmung zurückzufinden. Die es ja ist, mit den Menschen zu kommunizieren und sie zu berühren.

 

MMK Gallery – Eröffnungsausstellung, 06.10.14 bis 06.12.14

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