Hokus Fokus
Quadriennale 2014 – Michael W. Driesch: “Heilige Q_nst”, digital painting
Sollten Sie es, wie so viele, noch nicht mitbekommen haben: Vom 5. April bis zum 10. August 2014 findet in Düsseldorf ein Festival der bildenden Kunst statt. Es nennt sich Quadriennale, wird zum dritten Mal veranstaltet und von der Stadt Düsseldorf mit einem Budget von 4,2 Millionen Euro ausgestattet.
Ein Festival zeichnet sich unter anderem durch seinen kompakten Zeitraum aus, in dem man den Fokus auf das jeweilige Programm legt. Während die Quadriennale 2006 acht Monate über das Frühjahr und den Sommer hinweg lief – was die Aufmerksamkeitsspanne für eine öffentlich geführte, nicht akute Thematik definitiv überstrapaziert –, war es 2010 nur noch die Hälfte der Zeit, von September bis Januar. Und auch 2014 wird die Quadriennale kompakte vier Monate andauern, allerdings über den Frühling und den Sommer hinweg – ein eigenartiger Zeitraum, um Menschen ins Museum zu locken. Wie allgemein bekannt, ist es in den Monaten April bis August nicht nur warm, sondern gelegentlich auch heiß und auf den letzten Monat der Quadriennale 2014 fallen auch noch die Schulferien in NRW, die ein beliebter Zeitpunkt zum Verreisen sind. Dagegen hat die Quadriennale GmbH, zuständig für die organisatorischen und kaufmännischen Angelegenheiten, zwei Mittel. Zum einen Negierung, ich zitiere: „Wir haben kein Sommerloch!“ Zum anderen soll die Quadriennale „im Stadtbild sichtbar und mit einem breit gefächerten Begleitprogramm im Außenraum erlebbar werden“. Dazu zählen nach Angela Eckert-Schweizer, Geschäftsführerin der Quadriennale GmbH, nicht nur Urban Gardening (was mit bildender Kunst eher entfernt zu tun hat) und Urban Branding (was nicht zwangsläufig den öffentlichen Raum, sondern vielmehr die Stadt als Marke betrifft), sondern auch drei lange Kunstnächte und ein Vermittlungsprogramm. Möglich ist es also schon, die Quadriennale teilweise in den öffentlichen Raum zu verlegen. Die Frage stellt sich bloß: Wann fangen die Veranstalter damit an?
Es ist Mitte März, drei Wochen vor Festivalbeginn, und so richtig ist im Stadtraum noch nichts von der Quadriennale zu spüren. Stichproben im Freundes- und Bekanntenkreis und auch am kunsthistorischen Institut der Heinrich-Heine-Universität ergeben: Die Menschen haben keine Ahnung, was die Quadriennale ist. Geschweige denn davon, wann sie stattfindet und was es zu sehen geben wird. In einer Pressekonferenz am 6. März teilte die Quadriennale GmbH mit, dass es seit November 2013 Expeditionsteams gebe, die auf Entdeckungsreisen gingen und die Düsseldorfer Bürger durch ihre Präsenz auf das anstehende Kunstfestival neugierig machten. Eine junge Teilnehmerin hatte von diesen Teams über Facebook erfahren und erzählte: „Es ist schwierig zu beschreiben, was wir machen. Es ist jedes Mal wie ein kleines Abenteuer.“ Die Inhalte erscheinen spannend; genannt wurden Begriffe wie „künstlerische Entdeckungsreisen“, „experimentelle Bildfindung“, „Lichtmalerei“, „interdisziplinäres Arbeiten“. Es könne hinter die Kulissen des Kunstbetriebs geschaut werden; Fertigkeiten wie Interviews führen, Musik komponieren, bildhauern und Videos produzieren könnten dabei erlernt werden. Doch so verlockend das Angebot klingt und so begeistert die Teilnehmer sind – die Teams sind überraschend klein und bestehen eher aus sechs als aus 26 Teilnehmern. Wie kommt es, dass diese Teams bei einem derart attraktiven Programm in einer Großstadt mit fast 600.000 Einwohnern so winzig sind?
Angela Eckert-Schweizer, Geschäftsführerin der Quadriennale GmbH, und Hans-Georg Lohe, Kulturdezernent der Landeshauptstadt Düsseldorf; Foto Quadriennale
Düsseldorf rühmt sich häufig seiner internationalen Strahlkraft, seiner Nähe zu Brüssel und Paris, und auch die Quadriennale soll international ausgerichtet werden. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen, was dieses Mal im Gegensatz zu den letzten beiden Quadriennalen auch umgesetzt wird. 2006, als der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin mit Herzblut die erste Quadriennale in die Wege leitete, erfolgten die Eröffnungen der jeweiligen Ausstellungen nacheinander, weil jeder Museumsdirektor sein eigenes Süppchen kochte. 2010 fand die DC open eine Woche vor Eröffnung der Quadriennale statt, da diese einen eigenen Eröffnungstermin haben wollte. Ihr entgingen somit die Besucher der circa 30 Galerien, die unter dem Titel Deutschlandpremieren Künstler zeigten, die in Deutschland noch keine Galerieausstellung gehabt hatten. Und tatsächlich haben die Veranstalter aus der Vergangenheit gelernt: Die Quadriennale 2014 geht eine Kooperation mit der Art Cologne ein, die Galerien werden sich am 5. April mit einem langen Galerienabend beteiligen, circa 20 Off-Räume werden ab dem 24. Mai eine gemeinsame Ausstellung zeigen. Doch so richtig funktioniert es dann doch nicht mit der internationalen Strahlkraft. Wenn sogar die Düsseldorfer Bürger kaum informiert sind, wie soll es dann mit dem Ausland klappen? Bereits die englische Version der Website beschränkt sich auf die Haupttexte, die übrigen Einträge präsentieren sich selbstbewusst und ausschließlich auf Deutsch.
Mit der inhaltlichen Planung ist die Quadriennale durchaus mit Vollgas gestartet. Da die Leitthemen der vergangenen Quadriennalen mit Der Körper in der Kunst (2006) und Kunstgegenwärtig (2010) eher vager Natur waren, hatten auch die Ausstellungen kaum inhaltliche Bezüge. Für 2014 war daher der Wunsch nach einem künstlerischen Leiter entstanden und Wolfgang Ullrich, Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der HfG Karlsruhe, wurde angefragt. Bereits zwei Jahre vorher begann dieser, das Konzept zu entwickeln und verstand sich dabei als „Moderator und Gestalter“. Er begeisterte sich in einem Interview: „Dabei komme ich mir vor wie eine Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt, Pollen sammelt und sie wiederum verteilt. Dadurch, dass ich mit allen im Gespräch bin, lassen sich inhaltliche Schnittmengen frühzeitig besprechen.“ Dies klingt zwar eher wie ein Euphemismus für anstrengende Lobbyarbeit, aber die Seminare, die mit den Kuratoren unter seiner Leitung stattfanden, überzeugten offenbar ebenso wie sein Konzept. Überraschend legte er jedoch im September 2013 aus persönlichen Gründen sein Amt nieder. Glaubt man der Quadriennale GmbH scheint es, als habe er entsprechend dem Leitthema der Quadriennale Über das Morgen hinaus geplant: Das Konzept sei abgeschlossen gewesen, die Museumsdirektionen hätten seinen konzeptionellen Ansatz „wunderbar gemeinsam umgesetzt“. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Aufgaben Herr Ullrich gehabt hätte, wenn er weiter im Amt geblieben wäre.
Pressefoto der Quadriennale für das Projekt “Elisabeths Garten” zum Thema Urban Gardening: „Die Zuccinis der Zukunft kommen aus der Stadt.“ Die bildende Kunst auf neuen Wegen?
Vielleicht wäre seine Tätigkeit in der Folge eher repräsentativer Art gewesen. Und so wie er nun nicht mehr da ist, fehlt irgendwie auch eine Schlüsselfigur. Was wiederum schmerzlich daran erinnert, dass es der Quadriennale neben Öffentlichkeitsarbeit vor allem an einem Highlight mangelt. Inhaltlich bot auch die Quadriennale 2010 keine Überraschungen: Die gezeigte Kunst war etabliert, aber nicht frisch. Nur 250.000 Besucher, 130.000 weniger als vier Jahre zuvor, gingen damals in die Ausstellungen. Und genau 130.000, die Differenz der Besucherzahlen zu 2010, sahen sich 2006 die Werke des frühbarocken italienischen Malers Caravaggio an; die anderen Ausstellungen verzeichneten dagegen Besucherzahlen im unteren fünfstelligen Bereich. An der Zeit wäre es also, auch angesichts des hohen zur Verfügung stehenden Budgets, für einen Knaller! Von der Quadriennale GmbH erhalte ich die unkonkrete Auskunft, die Ausstellungen stünden im Mittelpunkt und diese sind, wenn man den Pressetexten glauben darf, durch die Bank hochkarätig. Inhaltlich richten sie sich jedoch eher an den Kunstbetrieb. Als „Publikumsmagneten“ könnte man vielleicht noch die Ausstellung im K20 bezeichnen, wo Kandinsky, Malewitsch und Mondrian gezeigt werden. Aber die langen Schlangen, wie sie vor dem Museum Kunstpalast für Caravaggio gestanden haben oder während der Düsseldorfer Nacht der Museen vorzufinden sind, dürften nicht zu erwarten sein. Das ist eigenartig, zumal die Planung der Quadriennale nun nicht mehr in der Hand eines Kunsthistorikers, sondern in der einer studierten Diplom-Kauffrau liegt. Gerade aus der betriebswirtschaftlichen Ecke würde man vermuten, dass in erster Linie auf Einnahmen und Besucherzahlen Wert gelegt wird.
Die Besucher müssen also anders angelockt werden. Und so wie der Stand der Dinge ist, sehe ich die einzige Möglichkeit, dies über das Konzept zu erreichen. Denn tatsächlich soll eine große Bandbreite an bildender Kunst gezeigt werden: über die Jahrhunderte hinweg bis hin zu zeitgenössischer Kunst, Malerei wie Bildhauerei, Videokunst und Installationen, Kunst für drinnen und draußen. Daran geknüpft sind die diffusen, aber durchaus ansprechenden, mystischen Leitbegriffe, mit denen die Quadriennale operiert, die da wären Verwandlung, Licht, Utopie, Rückzug, Feuer, Erde, Experiment, Himmel, Aufbruch, Fortschritt, Neugier. Programmleiter a. D. Ullrich wollte durch die Quadriennale gesellschaftspolitische und kunstpolitische Diskussionen anstoßen, vorwiegend soll es dabei am Beispiel von der Geschichte der Materie, um die Zukunft gehen – wie wir sie uns vorstellen, wer wir morgen sein möchten und sein werden, welche Vorstellung die Künstler vergangener Zeiten von der Zukunft hatten. Obwohl ich nicht der Meinung bin, dass unsere Gesellschaft zukunftsmüde ist – denn schließlich leben wir konstant in Erwartung besserer Möglichkeiten und weiteren materiellen wie gesellschaftspolitischen Fortschritts – lohnt sich doch das tiefere Nachdenken über eine zukünftige Gesellschaft, deren Weichen wir durch unser aktuelles Handeln legen. In der Schnelllebigkeit werden schließlich keine tiefer gehenden Werte entwickelt. Es bleibt also zu hoffen, dass das Konzept hält, was es verspricht.
Der Begriff „Quadriennale“ sagt, analog zur alle zwei Jahre stattfindenden Biennale, lediglich aus, dass das Festival alle vier Jahre stattfindet. Dazu kommt, dass sich Düsseldorf wie kaum eine andere Stadt für die bildende Kunst einsetzt. Fantastisch! Alle vier Jahre liegt vor Düsseldorf ein weißes Blatt Papier, das es wunderbar gestalten kann. 2014 gibt es ausreichend Budget für Farben aller Sorten, die Skizzen wurden von einem künstlerischen Leiter angefertigt, alle Häuser bekommen Buntstifte in die Hand gedrückt – und dann verpufft die Energie auf halber Strecke. Die Skizze wird nicht mit Leben gefüllt, sie wird uns glatt, kommerziell und ohne Ecken und Kanten angeboten. Wird mit der Quadriennale einfach nur selbstbezogen weitergeführt, was Erwin begonnen hat? Ich kann mir nicht vorstellen, dass zurzeit die Menschen in Berlin sagen: „Mensch, in Düsseldorf ist Quadriennale, da muss ich unbedingt hin!“
Bis jetzt bedeutet die Quadriennale für die Museen im Grunde nur mehr Geld für Ausstellungen, die sie (mit weniger Budget) sowieso machen, die inhaltliche Ausrichtung ihrer Ausstellungen auf das Leitthema und das Abtreten der Öffentlichkeitsarbeit an die Quadriennale GmbH. Letzteres spart ihnen zwar Zeit und Geld, verhindert jedoch auch Möglichkeiten, wenn die versprochene Kommunikation nicht erfolgt. Für das Stadtmarketing wiederum bedeutet Quadriennale einen Aufhänger, um zu werben. Und für den Besucher, dass er mit einer Eintrittskarte in mehrere Ausstellungen gehen kann. Obwohl das Potenzial für Großes von internationalem Format vorhanden ist, wird es womöglich verschenkt. Es sei denn, ab sofort wird in einem Kraftakt nachgeholt, was bisher versäumt wurde. Vielleicht lautet der passende Zauberspruch ja „Hokus Fokus“.
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